Die Frage nach der Nachrüstpflicht von RCDs in elektrischen Anlagen beschäftigt momentan viele Elektroinstallateure. In diesem Zusammenhang stehen Begriffe wie „Bestandsschutz“, „Kundenwunsch“ oder „Gefährdungsbeurteilung“ im Raum. Doch was bedeutet das? Was ist Pflicht und was nicht? Und wie sehen mögliche Lösungen aus?

Normen

Mit der DIN VDE 0100-410 wurde 2007 verbindlich festgelegt, dass laienbedienbare Steckdosenstromkreise bis 20 A grundsätzlich über einen 30 mA-RCD für den zusätzlichen Personenschutz zu schützen sind. Bis dahin gab es lediglich entsprechende Empfehlungen. Spätestens seit Ende einer Übergangsfrist am 1. Februar 2009 müssen also neu errichtete Steckdosenstromkreise mit RCDs geschützt werden.

Was aber ist mit bereits bestehenden Anlagen?

Eine Nachrüstungspflicht ist keiner Norm zu entnehmen. Die Anlage muss lediglich den, zum Zeitpunkt ihrer Errichtung gültigen Anforderungen entsprechen. Das bedeutet streng genommen, dass die Anlage nach der Norm nicht verpflichtend nachgerüstet werden muss und sogar in den veralteten Zustand wiederinstandgesetzt werden darf. Das gilt, solange nicht in nachfolgenden Normen oder anderen Regelwerken eine Anpassung an den aktuellen Stand der Technik gefordert wird.

Bestandsschutz

Bestandsschutz bedeutet, dass eine einmal erteilte behördliche Genehmigung einer Anlage Bestand hat. Die Anlage darf also theoretisch bleiben wie sie ist, auch wenn sich seit ihrer Errichtung die Sicherheitsregeln so verschärft haben, dass die gleiche Anlage bei einer Neuerrichtung nicht mehr genehmigt würde. Diese Bestandsschutz-Regelung resultiert aus der hohen Rechtsposition, die das Grundgesetz jedem Eigentümer zuerkennt.

Schwierig wird das Thema Bestandsschutz, wenn Gefahr für Leib und Leben oder auch Sachwerte besteht. Einerseits möchte der Eigentümer selbstverständlich Geld und Mühe sparen und könnte darauf pochen, dass seine Anlage dem Bestandsschutz unterliegt und deshalb die Nachrüstung eines RCDs nicht verpflichtend ist. Andererseits kann er zur Verantwortung gezogen werden, wenn durch unterlassene Nachrüstung jemand zu Schaden kommt. Denn Gesundheitsschutz geht immer vor Bestandsschutz.

Eine weitere Einschränkung des Bestandsschutzes ergibt sich, wenn sich hinsichtlich der ursprünglich genehmigten Nutzung etwas geändert hat. Wenn sich die Art der Nutzung eines Objekts verändert, oder Sanierungs- oder Umbaumaßnahmen stattgefunden haben, die über eine Instandhaltung hinausgehen, entfällt auch der Bestandsschutz. Ab diesem Zeitpunkt gelten also die aktuellen baurechtlichen Anforderungen an die elektrische Anlage.

Der Betreiber einer elektrischen Anlage sollte also sehr vorsichtig damit sein, sich auf den Bestandsschutz zu berufen. In jedem Fall ist er zu einer Gefährdungsbeurteilung verpflichtet, solange die Anlage nicht rein privat genutzt wird. Die aktuelle Norm DIN VDE 0100-410: 2018-10 fordert mittlerweile für Beleuchtungsstromkreise in Wohnungen und für Steckdosenstromkreise bis 32 A sogar einen Schutz durch 30 mA-RCDs, nicht nur – wie bisher – für Steckdosenstromreise bis 20 A.

Bestandteile einer ausreichenden Gefährdungsbeurteilung sind: Alle relevanten Risiken, die dazu gehörigen möglichen Schadensfolgen, die Maßnahmen, die erforderlich sind um Schäden abzuwenden und deren Wirksamkeit.

Sicherheit und Gesundheitsschutz

Betreiber elektrischer Anlagen sollten einen Überblick über die Anlage haben. Sie müssen sich über jede mögliche Gefährdung im Klaren sein und aus diesem Wissen heraus Maßnahmen ergreifen, die ihre Anlage vollständig absichern. Falls im Schadensfall erkennbar sein sollte, dass ein Verantwortlicher die Sicherung seiner Anlage nicht ausreichend ernst genommen hat, kann er für den Schaden haftbar gemacht werden. Sicherheit und Gesundheitsschutz sollten für den Verantwortlichen deshalb stets im Vordergrund stehen.

Technische Lösungen

Welche technischen Lösungen für die Nachrüstung einer Anlage mit RCDs sinnvoll sind, hängt sehr individuell von der bestehenden Anlage ab. Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit vierpolige Fehlerstromschutzschalter mit nachgeschalteten Leitungsschutzschaltern einzubauen. Oder man setzt eine FI/LS-Kombinationen (RCBO) ein, bei denen der RCD-Schutz und der Leitungsschutz in einem Gerät kombiniert sind. Die dritte Möglichkeit sind sogenannte FI-Steckdosen. Hier ist der RCD in die Steckdose integriert. Je nach Zustand der bestehenden Anlage kann auch eine Kombination dieser drei Möglichkeiten sinnvoll sein.

Auch bei den RCDs selbst hat der Verantwortliche die Wahl und muss entscheiden, welcher Typ benötigt wird: Bei LED-Beleuchtungen zum Beispiel wäre ein Typ A oder A KV sinnvoll, bei Geräten mit einphasigen Frequenzumrichtern, beispielsweise Waschmaschinen wird Typ F eingesetzt, in bestimmten anderen Fällen wiederum wird auch ein Typ B gebraucht.

Für die Entscheidung, welche Maßnahmen erforderlich sind, sollte in jedem Fall eine Elektrofachkraft zu Rate gezogen werden.