Seit Jahren steigt in Industrie, Büros und Haushalten der Anteil der Elektrogeräte, die mit Gleichstrom betrieben werden. Dieser wird in der Regel aus dem Wechselstromnetz mit dem Umweg über elektronische Netzteile bezogen. Gleichzeitig sind immer mehr Energieversorgungsanlagen in Betrieb, die Gleichstrom liefern, wie zum Beispiel Photovoltaikanlagen. Unternehmen und auch Privatleute interessieren sich deshalb zunehmend für eine – zumindest ergänzende – Versorgung mit Gleichstrom.
Warum Wechselstrom?
Dass die flächendeckende Stromversorgung mit Wechselstrom erfolgt, ist anfangs nicht selbstverständlich. 1882 setzt Thomas Edison auf Gleichstrom, während sich sein Konkurrent George Westinghouse mit Wechselstromtechnik beschäftigt. Einige Zeit existieren die beiden konkurrierenden Systeme parallel, bevor sich das Blatt Richtung Wechselstrom wendet.
Der wichtigste Vorteil von Wechselstrom ist zu dieser Zeit, dass sich – anders als bei Gleichstrom – die Wechselspannung über Transformatoren variieren lässt. Man konnte die Spannung anfangs auf ein Niveau von wenigen tausend, später auf mehrere 100 000 V anheben und, bei gleicher Übertragungsleistung, gleichzeitig die Stromstärke senken. Damit können Kabelquerschnitte kleiner gewählt werden wodurch die Stromübertragung über größere Distanzen deutlich kostengünstiger zu realisieren ist.
Transport
In Sachen Übertragung von Gleichstrom hat sich in den letzten Jahren jedoch einiges getan. Der ursprüngliche Hauptvorteil von Wechselstrom gegenüber Gleichstrom ist mittlerweile ausgeglichen. Seit einigen Jahren gibt es Konverter, mit deren Hilfe die Spannung auf die benötigte Höhe herauf- oder herabgesetzt werden kann. Mit Hilfe der sogenannten Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs-Technik (HGÜ) kann auch Gleichstrom mit einer Höchstspannung von bis zu 1100 kV über weite Strecken transportiert werden. Im Bau sind die Trassen zwar teurer, durch deutlich geringere Energieverluste werden die höheren Kosten jedoch wieder ausgeglichen.
Erzeugung und Verwertung paradox
Derzeit ändert sich die Art der Stromerzeugung rasant. Nicht nur, dass immer mehr Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, Strom wird auch häufiger dort erzeugt, wo er auch verbraucht wird, zum Beispiel durch private Photovoltaikanlagen. Photovoltaikanlagen produzieren Gleichstrom. Der Strom muss also erst in Wechselstrom gewandelt werden, ehe er ins Stromnetz eingespeist werden kann. Gleichzeitig steigt die Anzahl elektrischer Verbraucher, die mit Gleichstrom betrieben werden: Vom Computer über den Fernseher bis hin zur LED-Beleuchtung.
Das führt zu einer paradoxen Situation: Der erzeugte Gleichstrom wird über Wechselrichter (mit Verlusten) in Wechselstrom umgewandelt und ins Stromnetz eingespeist. Beim Verbraucher wird der Wechselstrom aus der Steckdose über entsprechende Wandler oder Netzteile (mit Verlusten) wieder in Gleichstrom umgewandelt, um damit Computer oder Beleuchtung zu versorgen. Die Verluste sind zwar jeweils gering, in der Summe führen die zahllosen individuellen Netzteile jedoch zu großer Abwärme und bedeutenden Kosten.
Herausforderungen
Wenn also schon Hochspannungsleitungen mit Gleichstrom betrieben werden können, warum nicht auch für Niederspannungsnetze in Büros und Haushalten Gleichstrom nutzen? Das Problem ist, dass die Anforderungen an Technik und Material zwischen beiden Systemen teilweise sehr unterschiedlich sind. Beispielsweise erlischt bei Wechselspannung der Schaltlichtbogen durch den Nulldurchgang des Stromes von selbst.Bei Gleichspannung hingegen verlöschen Schaltlichtbögen je nach Art der Belastung und bei hohen Strömen bereits ab einer Spannung von 15-20 V DC nicht mehr von selbst nach Kontaktöffnung. Es müssen zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden. Auch Kabel und Isolierstoffe müssen für Gleichstrom speziell angepasst werden. Verschiedene Arbeitsgemeinschaften, wie das vom Bundesministerium für Wirtschaft geförderte Projekt „DC-Schutzsystem“ bei dem auch Doepke beteiligt ist, arbeiten an der (Weiter-)Entwicklung geeigneter Schaltgeräte und Kabel.
Nutzung
Das neu erwachte Interesse hat seinen Grund: Der Einsatz von Gleichstrom in niedrigeren Spannungsbereichen, also in Wohnhäusern, Bürogebäuden oder Industrieanlagen bietet erhebliches Einsparpotenzial. Ein zentraler Wandler ersetzt die vielen individuellen Wandler und Netzteile und spart damit Energie. Zusätzlich können die Endgeräte deutlich günstiger werden. Es gibt bereits Bürogebäude in denen Rechnerzentralen, Klimaanlagen und Beleuchtungen mit Gleichstrom versorgt werden. Ebenso gibt es in der Industrie Pilotprojekte, in denen die Roboter einzelner Fertigungsabschnitte bereits komplett mit Gleichstrom versorgt werden.
Das Verhalten eines Gleichspannungsnetzes in dem viele unterschiedliche Verbraucher und Quellen zusammenwirken ist jedoch noch weitgehend unbekannt und wird erforscht. Das Entwicklungsprojekt DC-Schutzsystem arbeitet an einer vorausschauenden Netzüberwachung für Gleichspannungsnetze und die darin enthaltenen Komponenten. Durch ständiges Monitoring sollen Verschlechterung, zum Beispiel der sinkende Isolationswiderstand eines Kabels, festgestellt werden. So soll es möglich sein, einzelne Komponenten auszutauschen bevor ein Schaden oder Ausfall entsteht.
Ausblick
Der Gleichstrom steht vor einem Comeback. Ersetzen wird er die Wechselstromtechnik zunächst mit Sicherheit nicht, in einigen Bereichen ist der Einsatz von Gleichstrom jedoch wirtschaftlich sinnvoll. Am effizientesten ist nach derzeitigem Stand eine parallele Nutzung beider Systeme. Wie eine solche Koexistenz allerdings genau aussehen kann, welche Normen und Richtlinien erforderlich sind oder wie Schutzsysteme konzipiert sein müssen, daran arbeitet unter anderem das Entwicklungsprojekt DC-Schutzsystem.